Über den Erfolg von Julia Engelmann im Netz und Songtexte

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Ja, ich gehöre auch zu denen, die auf Facebook sofort auf „gefällt mir“ geklickt haben, als sie das Video von Julia Engelmann angesehen haben. Es zeigt einen Poetry-Slam-Beitrag, in dem die Studentin das Lied „One Day/Reckoning“ des Sängers Asaf Avidan ins Deutsche übersetzt und mit ihrem sehr emotionalen Beitrag die junge Generation dazu auffordert, mehr Mut zu wagen, etwas aus dem Leben zu machen, Träume zu leben. Innerhalb kürzester Zeit haben meine Facebook-Freunde dieses Video unzählige Male geteilt, im Netz ist nur noch die Rede von Julia Engelmann und ihrem Auftritt. Auch wenn ich das Video echt gut fand, so viele Reaktionen verwundern mich.

Woher kommt dieser große Erfolg? Sicher liegt es nicht nur daran, dass ein nettes Mädchen von nebenan alleine auf einer großen Bühne steht und mit ihrer schüchtern-charmanten Art Lebensweisheiten zum Besten gibt. Das Thema „Mut wagen“, „seine Träume leben“ trifft irgendwie den Nerv unserer Generation. Aufgefallen ist mir das auch bei dem Song „2 Finger an den Kopf“ des Rappers Marteria, der natürlich ganz anders daherkommt, im Grunde aber meiner Meinung nach Ähnliches aussagt. In seinem Song geht es um das bequeme Leben, um die Spießer, die wir anscheinend geworden sind. Wir sind brave Bürger, die Salat essen, Golf spielen und nicht mehr nach „Malle, sondern nach Schweden“ in den Urlaub fahren. „Randale und Krawall, die Zeiten sind längst vorbei“, heißt es in dem Song.

Bei Julia Engelmann heißt es etwa: Lass uns doch Geschichten schreiben, die wir später gern erzählen“ oder „Mut ist auch nur ein Anagramm von Glück“. Recht hat sie damit ja schon. Wir sind bequem geworden, gehen nicht auf die Straße, wenn uns was nicht passt, denken an die Altersvorsorge. Wir verdammten Spießer, wir. Reden nur, anstatt zu handeln. Finden Dinge schlecht, sprechen sie aber nicht aus. Wollen eine Weltreise machen, legen aber lieber das Geld zurück, denn wer weiß, was kommt. Natürlich muss man sagen, dass wir in einer Zeit leben, in der viele junge Leute nach der Uni keinen Job finden, die, die einen haben, müssen oft darum bangen. Wir müssen oft umziehen, brauchen dafür Geld. Und überhaupt, wer weiß, ob wir später überhaupt noch eine Rente bekommen?

Trotzdem finde ich das Video sehr gut. Weil man darüber einfach mal nachdenkt.

Ein Gedanke zu “Über den Erfolg von Julia Engelmann im Netz und Songtexte

  1. Peter Fellenzer

    Der Erfolg verwundert kaum. Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass sie an ihrem Leben/ ihren Möglichkeiten vorbeileben. Unter der Woche malochen, am Wochenende – falls kein anderweitiges „Event“ für Ablenkung sorgt – zum nächsten gigantischen Einrichtungscenter shoppen gehen. Vielleicht dann noch 2 Wochen all-inclusive-Urlaub mit Dauerbeschallung – kann es das gewesen sein? Andererseits fehlen diesen Menschen Vorbilder, die ihnen vielleicht den Weg weisen könnten. Die Politik ist – quer durch die meisten Parteien – damit beschäftigt, die Leute ruhig zu halten: Brot und Spiele… Die Gewerkschaften verdienen in ihrer Zahnlosigkeit eigentlich nicht mehr diesen Namen. Die wirtschaftliche Situation ist unsicher – ist es da ein Wunder, wenn die Menschen ratlos sind – obwohl sie in sich fühlen, dass es so auch nicht weitergehen kann?

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